“Was machen, was Spaß macht!”

Am Mittwoch, 26.6.24 habe ich einen Vortrag übers Bücher gestalten, machen und verlegen in Münchberg im Campus Kommunikationsdesign, der Uni Hof gehalten. Danke für die Einladung!

Foto: Lukas Kraus, ich spreche über Louise Walleneits: cloudmeeting, auch als Ebook bei uns erschienen

Auge / Hirn, da ist sie wieder die Kombination der zwei Pole die für gute Gestaltung, von dem Medium des Gestalters / der Gestalterin, verbunden werden müssen.

Denken ist die Beschäftigung mit abwesenden Inhalten. (Werner Balzer)

Meine ersten Bücher: von meinen Vater Wolff-Ulrich Weder gebunden und für mich aufbewahrt
Flaschendrehen: verlegen = netzwerken, Fäden spinnen, Verbindungen schaffen, Anker setzen, kreuz und quer Möglichkeiten zu finden, wie Themen sich verstärken: Schulterschluss mit Inhalten finden

So lange her, dass ich da gestartet bin: Dresden, 1986 meine ersten kleinen Büchlein, von meinem Vater dem konstruktiv-konkreten Künstler Wolff-Ulrich Weder bewahrt.

Riesa Efau, Dresden, alle grafischen Techniken probiert als nimmersatter Teen.

2000–2002: mein Grundstudium in Halle an der Burg Giebichenstein hat mich das Sehen gelernt, viel gezeichnet, mir über die Hand formalen Ausdruck im Hirn eingezeichnet.

2002 der Wechsel an die HGB nach Leipzig in die Typoklasse bei Günter Karl Bose, mein Hirn musste: Denken lernen, Konzepte entwickeln, innere Zensur hinter sich lassen, gedankliche Grenzen überwinden – ich erinnere mich an das Gefühls den Aufbruchs, mein Diplom und der Staatspreis für Design 2005, dann immer wieder Schritte des Beginns: 2007: Das Buch über die IG Äußere Neustadt, wo ich aufgewachsen bin, das meine Mutter Friederike Beier mit ihrer visionären Kraft vorangetrieben hatte und das mein Abschluss als Meisterschülerin bei Günter Karl Bose war.

2013: Verlagsgründung MMKoehnverlag zusammen mit Karoline Mueller-Stahl und Katharina Fiedler in Berlin. Das erste Buch im Verlag: Stefan Guggisberg: Beginn.

Jetzt 2024 meine eigenen Zeichnungen (@graphicbiases), den ersten Schritt in unserem Kalender mit Martin Schuster, jetzt kommt wieder beides zusammen: der Kopf und das Hirn.

Foto: Lukas Kraus
Diplom: Echtes Leipziger Allerei, 2005, Kochbuch, Salon Verlag, zusammen mit Timm Rautert, Hans Hansen, Florian Ebner und Studenten der FK Rautert, Fotografie, 1. Staatspreis für Design 2005
Erst den Hut reinwerfen, Meisterschüleranbschluss 2007, von mir zusammen mit Friederike Beier (1944–2017), Kathrin Jörg und Annette Franz herausgegeben
Foto: Lukas Kraus
Stefan Guggisberg – Beginn, MMKoehn Verlag 2013

Das Vermitteln von Inhalten über eine dem Inhalt folgenden Form. Das ist was mich an Büchern interessiert: die Verfügbarkeit von Informationen in einer kuratierten Dramaturgie, die ich entwickeln kann: Kommunikationsdesign.

Wie Bildhauerei: den Kern freizulegen. Mittlerweile überlege ich nicht mehr über die Schritte, die ich für eine Gestaltung brauche: es gibt eine Vision, eine Stimmung: bei Marc Desgrandchamps: Texte, hatte ich immer ein Feinrippunterhemd vor Augen, es ist dann eine entsprechende Haptik entstanden.

Surbalin Papier Bezug von Peyer Cover, mit Leinenstruktur: da die Laufrichtung eines Papiers korrekt sein muss, ist dieses “Unterhemd” im Querformat 😉

Büchermachen ist ein langer Prozess, der viele Stufen und Schritte benötigt, viel Kommunikation braucht und viel Einbindung des Gegenübers. Es ist ein Baby, eine Schöpfung von zwei Positionen: dem der den Inhalt zur Verfügung stellt, und dem der die Form findet. Das Ziel liegt in der Ferne und muss mit Geduld und Ausdauer erarbeitet werden.

Yvette Kießling, zeitgenössische Malerin, die Plein-Air die Natur in ihre Pracht abbildet – seit vielen Jahren arbeiten wir auf dieser Weise zusammen, es entsteht durch diese Zeit eine Verdichtung des Inhalts. Toll, das ich das ab 2013 dann auch auf der Verlagsebene ganzheitlich umsetzen konnte. Jetzt haben wir 2023 ihr drittes Buch herausgeben dürfen.

Yvette Kießling: Kuthamini / Hinwedung / Devotion, 2023, mit einem Text von Christoph Türcke zum Thema der kulturellen Aneignung, drei sprachig: Swaheli, Deutsch, Englisch, Übersetzt von Christiane Salalah, gestaltet von mir
Backlist Vorschau Herbst 2024

Die Frage, die nicht zu fassen ist: was wird mit den Bücher in der Zukunft? Wir befinden uns in einem rasanten Wechsel der Entkörperung, Bücher sind schwer, aus Holz, haben Gewicht: ich reise immer mit schweren Gepäck – zum Vortrag hatte ich wieder 8 kg Buch dabei, ich kenne es nicht anders. Der Mensch ist sinnlich, er ist haptisch, schon mit dem Pinzettengriff des Kleinkindes wird das Hirn vom Anfassen geformt und mit Impulsen versorgt: was passiert, wenn der Nachschub nachlässt oder nun mehr: entkörpert? Wie kommen die Impulse wieder aus dem Hirn in die Hand und was passiert, wen der Stecker gezogen wird? Wie wird das Archiv unser Zeit in 50 Jahren aussehen, wo wird das Wissen gesammelt, für wen wird es zugänglich sein? Weltweit? Umsonst? Ungefiltert? Open Source?

Anfassen: Cover mit den Fingern berühren, Einbandmaterialien die schimmern, der Mensch will schöne Sachen anfassen, besitzen, konsumieren.

Das tiefste am Menschen ist seine Haut. Das Ektoderm das sich in der embryonalen Entwicklung zum Neurahlrohr wird, in dem es sich verschließt. (Werner Balzer) Dieses Grundbedürfnis nach Haptik, sinnlichem Erleben, dem Tastsinn, das können keinen digitalen Endgeräte ersetzen. Wo geht es hin?

Für Kreativität braucht es Langeweile, oder eher: Distanz, Zeit, das gewonnene Wissen zu verarbeiten und Neues zu erschaffen. Dafür sind Bücher einer der besten Räume, die ich kenne. Es sind Denkräume zu Anfassen: sie verbinden Hirn und Hand und Auge, und sehen im besten Falle auch noch schön aus.

Was als Widerstand erscheint ist die Voraussetzung des Gelingens. (Thomas Fuchs)

Das gilt auch für den Inhalt: sich etwas lesend anzueignen, heißt auch lesend schreiben zu lernen. Nun geht das auch am Display, aber wer schon mal ein Eselsohr oder eine Unterstreichung im Buch gemacht hat, der weiß auf welcher Seite das ist, und hat es im Gehirn sicher und stark verankert. Ich muss manchmal nur das Buch im Regal sehen, um den wichtigen Gedanken wieder fassen zu können.

Ferenc Jadi: Von der Zeichnung, Alaphbed-Reihe, Institut für Buchkunst

Können Sie das, wenn sie sich an einen digital gelesen Text erinnern wollen?

Ich bin mir sicher, dass der sichere Raum des Buches – der Inhalt geschützt von zwei Deckeln – die lineare Lesbarkeit, die nur veränderbar wäre, wenn man das Buch zerstört und neu zusammen setzt, dass das die Merkfähigkeit gerade wegen der Begrenzung des Raumes durch den Buchkörper verstärkt.

Die Frage nach der Zukunft des Buches werde ich immer wieder stellen, und nach und nach wird sich eine Verdichtung einstellen, eine Reise, in der wir alle schon mitten drin sind.

Danke Tillmann, Danke Claudia Muth, Norbert Diedrich und dem Lehrstuhl Kommunikationsdesign der Uni-Hof, solche Vorträge helfen mir die Gedanken nach und nach zu schärfen. Und für die Zukunft gilt der beste Motivationsgrundsatz der von Laura auf meine Nachfrage kam: “Was machen, was Spaß macht!”